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Samstag, 31. März 2012

Nikon AI-S 50 1.2 - Ein kurzer Erfahrungsbericht

Das Nikkor AI-S 50/1.2 habe ich mir neulich gebraucht in einem Fotoforum gekauft. Ich denke wer diesen Artikel bewusst gesucht hat, kennt das Objektiv. Für alle anderen, es ist ein immer noch neu zu kaufendes manuelles Objektiv aus vergangenen Tagen, also inklusive Blendenring und mechanisch erstklassiger Verarbeitung. Wer ein wenig mehr erfahren möchte, schaue z.B. mal hier nach:

http://www.mir.com.my/rb/photography/companies/nikon/nikkoresources/50mmnikkor/index6.htm

Das Objektiv kann an den besseren Nikon-Gehäusen mit Zeitautomatiken verwendet werden. Somit ist eine korrekte Belichtung kein Problem...eine korrekte Fokussierung aber schon; dazu später mehr.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.4 an D700]

Objektive mit einer Blende von 1.2 sind schon ungewöhnlich. Während die günstigeren Zoomobjektive meistens im Bereich von 3.5 bis 5.6 operieren und selbst die teuren Profizooms "nur" durchgängig 2.8 liefern,  ist 1.2 schon eine Ansage bezüglich "Offenblende". Natürlich gibt es auch viele aktuelle Festbrennweiten mit einer max. Blendenöffnung von 2.0 oder 1.4 (z.B. AF-S 24, AF-S 35, AF-S 85, alle 1.4), aber ein Nikkor mit 1.2 gibt es in moderner Ausführung nicht.


[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.2 an D700]

Ich war also gespannt, was solch ein Offenblendmonster aus grauer Vorzeit leisten kann und vor allem, was man damit überhaupt erreichen kann. Von einem aktuellen 1.4er-Objektiv mit Autofokus, dem AF-S 85/1.4, kannte ich schon die Probleme, aber auch die ungewöhnliche Anmutung der Bilder bei einer so offenen Blende. Die Probleme liegen in erster Linie bei der Fokussierung. Durch die extrem geringe Schärfentiefe bei voll geöffneter Blende sind je nach Motivabstand nur wenige Millimeter wirklich scharf genug abgebildet. Das ist zwar auch abhängig von Bildgröße und Betrachtungsabstand, aber für den durchschnittlichen Fall kann man ruhig davon ausgehen, dass nur sehr wenig im Bild vom Betrachter als scharf beurteilt wird. Somit hat man also die Pflicht diesen scharfen Bereich möglichst gut zu wählen, was manuell mit modernen Digitalkameras mehr als schwierig ist. Die Mattscheiben sind zwar sehr hell und zeigen ein klares Bild, aber man erkennt nicht wirklich die Schärfeebene, schon gar nicht bei Blendenstufen unterhalb von 4.0 oder max. 2.8. Auch scheint es mir so, als wenn die Justierung der Mattscheiben nicht immer wirklich ausreichend präzise ist, so dass man auch manuell einen Back- oder Frontfokus haben kann. Ob das wirklich so ist...ich weiß es nicht. Tatsache: bei einer D7000 und D700 hatte und habe ich permanenten Backfokus (95% aller Fehlfokussierungen sind so).
Wie dünn die Schärfentiefe bei 1.2 ist, kann man hier vielleicht erahnen:

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.2 an D700]

Nicht einmal alle Zacken dieser Plastikbaggerschaufel liegen so in der Schärfeebene, dass sie bei näherer Betrachtung als scharf durchgehen würden...GENIAL ;)

Die Verarbeitung der Linse ist übrigens sehr, sehr gut! Vollmetall, schwer, leichtgängig, trotzdem mit guter Dämpfung, präzise, wertig...geil! Das ist meilenweit besser als die 1500€-Plastiklinsen die man heute geboten bekommt. Natürlich haben diese andere Qualitäten, mit denen das ehrwürdige 50er nicht mehr mithalten kann, aber ein wenig Wehmut muss erlaubt sein angesichts dieses Messingteils.

Aber genug der nostalgischen Verklärung, kommen wir zu den wichtigen Dingen, den optischen Eigenschaften an einer modernen Digitalknipse. Gleich eines vorweg, bei Blendenwerten kleiner 2.0, also 1.2 und 1.4 (mehr Stufen gibt es zwischen 1.2 und 2.0 nicht), ist die optische Leistung...künstlerisch. Wer den satten Kontrast, die Schärfe und die allgemeine Abbildungsleistung eines z.B. AF-S 85 / 1.4 erwartet, wird enttäuscht. Die Bilder sind sehr weiche. Nicht das es ihnen an Auflösung fehlen würde, es ist eher ein Kontrastproblem. Helle Stellen im Motiv werden von einer weit ausgedehnten Farbfehlerwolke umgeben, überstrahlen und geben einen, um es positiv zu münzen, traumhaften Effekt. Von "crispen" Digitalbildern kann da keine Rede mehr sein. Das sieht eher nach "Zärtliche Cousinen" aus ;)

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.2 an D700]

In dieser Auflösung und nach meiner Bearbeitung sieht man diesen Effekt nicht mehr deutlich, aber vielleicht kann man ihn erahnen.

Aber manchmal braucht es eben einen weichen Pinsel. Ich habe persönlich noch keinen wirklichen Zugang zu diesem Objektiv finden können, was aber sicherlich auch an der Kürze der Zeit liegt, in der ich es ausprobiert habe und an der Tatsache, dass passende Motive auch nicht mal eben so auf Bäumen wachsen.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.2 an D700]

Leidlich scharf geht übrigens auch mit diesem Objektiv. Voraussetzungen: exakte Fokussierung und entsprechendes Licht und Motiv, bei dem die Farbfehler und Weichheit des Objektivs nicht zum Tragen kommen.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.2 an D700]

Aber auch bei sanften Lichtverhältnissen kann man bei 1.2 in die Falle tappen...Stichwort Bokeh! In diesem extremen Beispiel sieht man ein sehr unattraktives Bokeh, hervorgerufen durch ca. 2-3 Meter entfernte Äste und Blätter im Gegenlicht. Leichtes Abblenden verbessert den Eindruck, obwohl der Hintergrund dadurch natürlicher leicht schärfer wird. Ein eher gruseliges Bokeh kann man aber mehr oder weniger mit jedem Objektiv erzeugen und auch das Gegenteil davon.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.2 an D700]

Wider besseren Wissens: Offenblende bei hellem Tageslicht. Hier kann man selbst bei dieser Ausgabegröße schon erkennen, dass man sowas tunlichst sein lassen sollte. Die Kontrastkanten und hellen Stellen blühen geradezu aus und erzeugen einen Effekt wie bei einem brutal eingesetzten Unschärfefilter. Die Details darunter kann man übrigens trotzdem noch erkennen, es ist also nicht so, dass man eine generelle Unschärfe hat, nur überlagern die Störungen diese Details dermaßen, dass man keinen wirklich sauberen Bildschärfeeindruck mehr erhält. Als Effekt aber sicherlich teilweise einsetzbar. Die chromatischen Abberationen sind allerdings sehr heftig...Schwarzweißberarbeitung ist vielleicht eine gute Idee ;)

Die Situation ändert sich aber schon leicht, wenn man auf Blende 1.4 abblendet. Zwar kann das Objektiv auch hier nicht ganz mit den aktuellen 50mm-Linsen mithalten was den Kontrast angeht, aber man erkennt schon wohin die Reise geht.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.4 an D700]

Zwar nicht 100% gut fokussiert, aber die Kontraste sind bei 1.4 schon ein wenig besser, die Schärfe geringfügig aus meiner Sicht.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.4 an D700]

Lässt man dann noch die Farben weg, und entledigt sich so den chromatischen Abberationen, erhält man schon relativ scharfe Abbildungen, in diesem Fall auch mit einem anständigen Bokeh.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.4 an D700]

Die Kontraste und damit auch die Farbwiedergabe kommen bei 1.4 in Bereiche, wo man noch was machen kann, auch bei härterem Tageslicht.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f1.4 an D700]

Wie bereits anfangs erwähnt, ist die manuelle Fokussierung mit einer modernen Digitalkamera eine Herausforderung. Ich meine sogar ohne entsprechend korrekt justierte Mattscheibe oder besser noch "manuelle" Mattscheibe fast unmöglich. Entsprechende Mattscheiben kann man für viel Geld
kaufen und einbauen/einbauen lassen, aber ich habe keinerlei Erfahrung damit. Ich weiß nur, dass es mit
allen von mir verwendeten manuellen Linse nicht einfach ist, mit der Originalmattscheibe sicher zu fokussieren. Mit diesem Objektiv lag meine Trefferquote ähnlich niedrig wie mit dem Samyang 85/1.4, also deutlich unter 50%...teilweise sogar unter 10%.
Diese "Action-Aufnahme" war allerdings einfach, da ich hier geschummelt habe ;) Da sich die Bewegung in einer Eben abspielte, konnte ich die Verankerungspunkte der Schaukelketten als Fokushilfe verwenden. Ich habe also zunächst versucht mich plan zur Ebene der Bewegung aufzustellen, dann den Punkt an der Aufhängung fokussiert und konnte so beliebig viele korrekt fokussierte Bilder aufnehmen. Von vorne wäre mir sicherlich kein einziges Bild bei Blende 1.4 gelungen und wenn, dann nur durch Zufall.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f2.0 an D700]

Bei Blende 2.0 dreht das Teil so richtig auf! Vergessen sind die Schleierwolken und chromatischen Abberationen, die den Bildern einen Traum-Touch verleihen. Nun sind das aber auch immerhin 1 1/2-Blendenstufen, also darf man auch einen entsprechenden Zuwachs an Abbildungsqualität erwarten.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f2.0 an D700]

Ab hier kann man es nun auch wagen, Tageslichtaufnahmen mit stärkereren Kontrasten und/oder feineren Details aufzunehmen. Was übrigens bei dieser Aufnahme sehr geholfen hat, ist der perfekte Anschlag auf Unendlich! Dreht man den Fokusring auf oo, hat man wirklich die korrekte Einstellung für alles, was mehr als 15 Meter Entfernt ist (oder je nach Blende besser auch mehr).

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f5.6 an D700]

Bei Blende 5.6 erreicht das Objektiv eine hervorragende Schärfe für eine 50mm-Festbrennweite, die sicherlich locker oberhalb der Grenze des Auflösungsvermögens des Sensors einer 12-Megapixel-Kamera liegen dürfte. Vermutlich ist das schon bei 2.8 der Fall. Selbst feinste Strukturen werden, korrekte Fokussierung vorausgesetzt, perfekt abgebildet. Kontraste sind sehr gut, Farbwiedergabe...ich weiß es noch nicht genau...sage mal unspektakulär neutral.

Die kleinste Blendenöffnung ist f16. Hier erhält man aufgrund der 9 Blendenlamellen sehr schöne Sterne bei beispielsweise Wasserreflektionen.

[Nikkor AI-S 50/1.2 bei f16 an D700]

Das ist nun nichts Ungewöhnliches und kann sicherlich mit allen 9-"Bladern" erzeugt werden.

Fazit (vorläufig):
Die manuelle Fokussierung ist schwierig bis fast unmöglich, was aber an mir (zum Teil) und an der verwendeten Kamera liegt. Die optische Leistung ist meiner Ansicht nach nicht mehr auf der Höhe der Zeit! Selbst ein billiges Nikkor AF-S 50/1.8 leistet bei Offenblende in vielen Belangen mehr. Allerdings hat dieses Objektiv einen Charme bei Blenden <2.0, denn man sicherlich als Mittel für bestimmte Motive gewinnbringend einsetzen kann. Ab Blende 2.0 finde ich das Objektiv eher uninteressant. Es ist dann sehr scharf und gut, aber da sind auch aktuelle Objektive, die leichter zu bedienen sind und besser abgestimmt auf digitale Gehäuse. Also eine Gurke? Nein, sicherlich nicht! Erstens ist es ein 1.2er und zweitens ein wirklich sehr gut gearbeitetes manuelles Objektiv. In fachkundigen Händen können damit sicherlich traumhafte Ergebnisse erzielt werden. Für einen Hobbyknipser wie mich, ist dieses Objektiv aber eher eine Herausforderung. Ich stelle mich aber gerne dieser Herausforderung und werde es daher sicherlich noch öfter verwenden.
Ich hatte bisher sowohl Frust als auch Spaß mit diesem Objektiv. Bei passendem Licht, Motiv und Fokussierung sind die Ergebnisse sogar bei Blende 1.2 teilweise überraschend gut. Liegt es aber mal daneben, sind die Bilder ein direktes Opfer der Löschtaste an der Kamera.
Aus meiner Sicht ist es als "Lichtriese" nicht wirklich tauglich, da die Abbildungsfehler viele Motive schlecht aussehen lassen. Wer aber diese optischen Fehler in seine Komposition einbauen kann, wird sicherlich seine Freude damit haben.
Angesichts des aktuellen Kauf- und Gebrauchtpreises, gebe ich eine 3+ (C+) in Schulnoten.

Danke für's Lesen.

2 Kommentare:

  1. Hallo, ich habe mir das Objektiv vor kurzem gekauft und ich muss sagen es ist ein tolles Objektiv mit einem super Bukeh.Bei 1,2 ist es zwar schwer scharf zu stellen, aber bei 1,4 geht es schon besser und man wird mit einem über ragenden Bukeh belohnt! Ich habe es für 345 Euro gebraucht gekauft,ich würde es auch jederzeit wieder kaufen. Dieses spezielle Gefühl wenn man manuell die Schärfe einstellt, erinnert mich wieder zurück zu meinen Anfängen 1978. Damals gab es noch kein Autofokus und niemand hätte an soetwas gedacht.Back to the roots!!!

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  2. Witzig wie unterschiedlich die auffassung des Bokehs ist :) gerade bei dem Bild mit dem Kind wo du dich beschwerst, es grauenhaft nennst, ist ein Träumchen in den Augen der altglasliebhaber.

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